Kritik an geplanter Reform

Finne

26. April 2024
Die Kritik an einer geplanten Reform wächst. Eine gute Gelegenheit, die Fülle an Stimmen und Anträgen einmal zusammenzufassen.

Die Großloge hat über mehrere Jahre hinweg eine umfassende Rechtsreform vorbereitet, über die beim kommenden Großlogentag in Braunschweig entschieden werden soll. Diese Rechtsreform, die insgesamt rund siebzig Seiten umfasst, bringt zahlreiche Änderungen an der bisherigen „Freimaurerischen Ordnung“ mit sich. Unter anderem sollen die bisherigen Distrikts-Ehrengerichte und die in verschiedenen Logen bestehenden Ehrenräte abgeschafft und durch ein einheitliches „Gericht der Großloge“ ersetzt werden.

Detaillierte Einblicke in das komplexe Konstrukt der geplanten Rechtsordnung möchte ich an dieser Stelle nicht geben. Es ist jedoch anzumerken, dass ich die Vorteile dieser Reform infrage stelle und vor allem kritische Aspekte beleuchte. Nicht nur ich, sondern auch zahlreiche Logen teilen diese Bedenken und haben entsprechende Ablehnungsanträge gestellt. Einige Logen haben allem Anschein nach bereits intern beschlossen, die Reform abzulehnen, während andere öffentlich dazu aufrufen.

Der Widerstand gegen die geplante Rechtsreform ist derart groß, dass vereinzelt sogar die Möglichkeit einer Abspaltung von der Großloge A.F.u.A.M.v.D. und der Gründung einer neuen Großloge diskutiert wird. Es gibt verschiedene Gesprächskreise, sowohl bekannte als auch unbekannte, die sich zu Treffen und Zoom-Konferenzen zusammenschließen, um das Thema heiß zu debattieren. Die kommende Veranstaltung in Braunschweig verspricht somit äußerst spannend zu werden.

Werden Logen austreten oder eine neue Großloge gründen?

Bereits im Vorfeld zeigte die Großloge ein recht unprofessionelles Verhalten. Auf ein Zirkular von Berliner Brüdern, die darauf bestehen, dass die Logenbeschlüsse auf dem Großlogentag umgesetzt werden, reagierte der Vorstand der Großloge mit einem Schreiben an die Logen. Darin wurde betont, dass Diskussionen und Meinungsbildung ausschließlich auf dem Großlogentag stattfinden sollen und die Stuhlmeister ausschließlich ihrem Gewissen verpflichtet sind. Diese Vereinfachung ist jedoch nicht angemessen. Es geht weniger um Gewissensfragen als vielmehr um Aufgaben und Meinungsbildung innerhalb der Logen. Wenn diese nicht überall erfolgt sind, sollten kluge Stuhlmeister dies berücksichtigen. Die Großloge hingegen bestimmt, dass der Stuhlmeister nach dem Eindruck der Verhandlungen auf dem Großlogentag entscheiden wird. Offensichtlich hofft der Vorstand, in Braunschweig genügend Eindruck zu machen und den eigenen Antrag durchsetzen zu können. Unter normalen Umständen stehen die Chancen nicht schlecht, da der Großlogenvorstand und der Großlogenrat die Amtsmacht auf ihrer Seite haben. Sie haben lange Zeit in Vorbereitung investiert, juristische Beratung eingeholt und die Stuhlmeister auf den Distrikts-Stuhlmeistertagen bearbeitet – auch als „Roadshow“ bezeichnet. Gleichzeitig sollen die Stuhlmeister, die im Durchschnitt informiert und nur mäßig rechtlich geschult sind, unter dem Druck des Großlogentages schnell die Argumente und Debatten verstehen und entsprechend abstimmen. Die Großloge hat dabei einen erheblichen Informationsvorteil. Der folgende Satz aus dem Schreiben vom 25. März 2024 an die Stuhlmeister kann auch auf andere Weise interpretiert werden: „Wer scheinbar unüberwindbare Hürden für eine Abstimmung errichtet, scheut offensichtlich die offene Diskussion.“

Der Rechtsausschuss spricht sich dafür aus, den Antrag abzulehnen.

Es ist bedauerlich, dass die Großloge den Rechtsausschuss in der Entwurfsphase anscheinend von der Entwicklung ausgeschlossen hat, obwohl er als etabliertes und von früheren Großlogentagen legitimiertes Gremium für Rechtsfragen gilt. Des Weiteren hat der Vorstand versäumt, die Expertise des Rechtsausschusses im Vorfeld an die Logen zu kommunizieren. Anstatt dessen argumentiert der Vorstand, dass der Rechtsausschuss die Stellungnahme eigenständig verfasst habe und selbst für deren Veröffentlichung zuständig sei. Ein verantwortungsbewusster Vorstand im Sinne der Freimaurerei sollte seine Mitglieder umfassend informieren, um eine ausgewogene Meinungsbildung und eine dienende Entscheidung zu ermöglichen.

Der Rechtsausschuss hat eine vernichtende Einschätzung zur vorgeschlagenen Rechtsreform abgegeben. Er spricht von einem Paradigmenwechsel in der freimaurerischen Rechtsfindung und bemängelt die geografische Entfernung des Großlogengerichtes von den meisten Logen. Es wird von einer Verkomplizierung der Rechtsvorgänge, einer untragbaren Verkürzung der Rechtswege und einer infrage gestellten Akzeptanz der Entscheidungen durch die Bruderschaft gesprochen. Die Verrechtlichung der Streitigkeiten und die Komplexität der Abwicklung werden als erhebliches Konfliktpotenzial betrachtet. Der Rechtsausschuss warnt davor, dass durch die Konzentration der Fälle auf einen Vorsitzenden eine Arbeitsüberlastung entstehen und die Dauer von Rechtsstreitigkeiten verlängert werden könnte. Bisher stand der Rechtsausschuss nicht nur dem Großmeister, dem Vorstand und dem Großlogenrat beratend zur Seite, sondern auch den Distrikten und Logen. Mit der geplanten Neufassung würde die Beratung auf den Großmeister, den Vorstand und den Großlogenrat beschränkt werden. Insgesamt empfiehlt der Rechtsausschuss, die umfassenden Änderungen abzulehnen.

Was äußern die Logen und Gruppen?

Es sind nur ablehnende Kommentare bekannt, die mir vorliegen. Ob diese das Meinungsbild der Logen angemessen widerspiegeln, kann ich nicht beurteilen. Ich habe keine rechtlichen Kenntnisse, um die folgenden Kritiken im Einzelnen zu überprüfen, sie erscheinen mir jedoch plausibel.

  • Das Top-Down-Prinzip besagt, dass Maßnahmen nur von der obersten Ebene nach unten erfolgen können, jedoch nicht auch gegen höhere Beamte auf Großlogen- oder Distriktebene gerichtet werden können.

  • Die Zulassung von Beiständen solle auf Personen beschränkt sein, die über die erforderliche Qualifikation für das Richteramt verfügen. Dadurch bestünde die Gefahr, dass Verfahren übermäßig erschwert und aufgebläht werden.

  • Verstoß der Gleichbehandlung und Souveränität der Logen, indem der Meister vom Stuhl nur Maßnahmen gegen eigene und besuchende Brüder treffen kann, aber nicht zum Beispiel gegen Distrikt- oder Großbeamte.

  • Es wird festgestellt, dass die bestehenden Rechtsmittel ausreichend seien und die Loge ihre Konflikte selbst regeln könnten. Der aktuelle Entwurf benenne dagegen mögliche Konfliktfelder zu unpräzise.

  • Es wird von einem Maulkorberlass gesprochen (gemeint ist offenbar die Kommunikation im Vorfeld).

  • In den Logen fänden Schlichtungsversuche statt. Es bedürfe keiner zusätzlichen Instanzen.

  • Die Abschaffung logeninterner Instanzen und bestehender Ehrenräte sei ein unzulässiger Eingriff in die Souveränität der Logen.

  • Der vorliegende Entwurf sei viel zu kompliziert und juristisch formuliert. Ein normaler Stuhlmeister könne die Folgen nicht ausreichend abschätzen und würde die dann vorgeschriebenen Wege und damit die Konfliktlösung insgesamt vermeiden.

  • Die vorgelegte Reform bedeute eine erhebliche Zentralisierung, die mit dem demokratischen Verständnis der Logen nicht in Einklang zu bringen sei.

  • Die ortsnahen Distriktsgerichte würden ersetzt durch ein Gericht im für die meisten Logen entfernten Berlin, was für die meisten Brüder hohen Zeit- und Reiseaufwand und damit auch Kosten bedeute.

  • Für die Einführung bis zu sechs verschiedener Verfahren dürfte kein Bedarf bestehen, da es insgesamt gar nicht genügend interne Konflikte gäbe.

  • Die allumfassende Gerichtsbarkeit bedeute eine unnötige Zentralisierung und führe zum Entzug der eigenständigen Möglichkeiten auf Logen- und Distrktebene.

  • Das brüderliche Gespräch als Vorstufe einer Schlichtung würde instrumentalisiert.

  • Die Abschaffung der Distrikts- und Ehrenräte sei ein schwerwiegender Traditionsbruch und verletzte die Vereinsautonomie.

  • Das geplante Gesetz sei viel zu kompliziert und berge die Gefahr, dass den Handelnden wiederum sanktionsfähige Verfahrensfehler unterlaufen.

  • Die Stuhlmeister müssten auf dem Großlogentag notwendigen Satzungsänderungen zustimmen, ohne die dafür notwendige qualifizierte Mehrheit garantieren zu können, was die Loge in ernsthafte Schwierigkeiten bringen könne. Das könne den Ausschluss der Loge bedeuten.

  • Künftig könnten neben dem Stuhlmeister auch Groß- und Distriktmeister in den Logen vorläufige Maßnahmen verhängen.

  • Die Großloge sei gar nicht daran interessiert, dass die Expertise des Rechtsausschusses in die Logen gelange, weil sie lediglich verbandspolitische Ziele verfolge.

  • Mit dem Übergehen des Rechtsausschusses und des durch „Roadshows“ begleiteten Überzeugungsprozesses zerstöre die Großloge den Vertrauensvorschuss und ließe an der notwendigen Neutralität des „Gerichtes der Großloge“ Zweifel aufkommen.

  • Dem Antrag der Großloge wird die „Sinnhaftigkeit“ abgesprochen.

  • Es wird bezweifelt, dass das Prinzip „Schlichten statt Richten“ im vorliegenden Entwurf umgesetzt wird, da er das Ziel des brüderlichen Umgangs verfehle.

  • Es wird eine Verlagerung der Kompetenzen von den Logen hin zur Großloge befürchtet bis hin zur Interpretation, dass die Großloge eine hierarchische Ordensstruktur einführen wolle.

  • Es wird Bezug genommen auf die Alten Pflichten, in denen zu lesen ist: „Wird eine Klage laut, so soll sich der für schuldig befundene Bruder dem Urteil und der Entscheidung der Loge stellen, die der eigentliche und zuständige Richter in allen derartigen Streitigkeiten ist, wo sie anhängig gemacht werden müssen – es sei denn, ihr ruft die Großloge an.“

  • Die Kompetenz einer Reform sei beim in der Sache zuständigen Rechtsausschuss. Der Vorstand und der Großlogenrat hätten diese Kompetenz nicht und seien dafür auch nicht gewählt worden.

  • Bisher könne jede Loge den Rechtsausschuss um neutralen Rat bitten. Diese Möglichkeit bestünde mit der Reform nicht mehr.

  • Wenn der Großlogenrat eine Stellungnahme des Rechtsausschusses ignoriere, wird darin eine „Kompetenzanmaßung“ und eine Missachtung des Wählerwillens gesehen.

  • Eine Zustimmung zur Reform sähe man als einen Weg in die laut Kant „selbst verschuldete Unmündigkeit“.

  • Die geplante Abschaffung der Ehrenräte wird als „Systembruch“ gesehen.

  • Es wird befürchtet, dass es häufiger zu Übergaben an staatliche Gerichte kommen wird, wobei die beteiligten Brüder, auch Zeugen, ihre Deckung verlieren.

Quellen: Stellungnahme des Rechtsausschusses vom 31. Januar 2024; Rundschreiben des Großlogenvorstands an alle Stuhlmeister unserer Großloge vom 25. März 2024; Antrag der Loge „Porta patet cor magis“, Walkenried, vom 6. März 2024; Arbeitsgruppe im Distrikt Baden-Württemberg vom 12. Februar 2024; Reaktion auf das Schreiben des Großlogenvorstandes, Loge „Glocke am Fusse der Alb“, Reutlingen, 3. April 2024; Antrag des Großlogenrates; Antrag der Loge „Wilhelm zu den drei Helmen“ vom 5. März 2024; Antrag der Loge „Friede und Freiheit“, Karlsruhe, 5. März 2024; Antrag der Loge „Allvater zum freien Gedanken“ in Lahr, 5. März 2024.

Blick zurück

Es ist hilfreich, den Fokus auf das Wesentliche zu legen. Vor etwa 15 Jahren äußerten Stuhlmeister den Wunsch, dem Vorsitzenden einer Loge mehr Handlungsbefugnisse zu geben, falls ein Mitglied der Loge oder ein Besucher den Logenfrieden gefährdet. In verschiedenen Distrikten gab es hartnäckige Störenfriede, die mit den bestehenden Gesetzen und den zögerlichen Distriktsehrengerichten nicht zu bewältigen waren. Die Überarbeitung der Freimaurerischen Ordnung vor rund zehn Jahren brachte daher zunächst große Freude. Dennoch blieb berechtigte Skepsis gegenüber dem Prinzip „Schlichten statt Richten“, das bis heute anhält. Schlichtungsversuche auf verschiedenen Ebenen sind zwar ein wichtiger Bestandteil unserer freimaurerischen Tradition, aber sie sind wirkungslos, wenn eine Partei die Regeln nicht akzeptiert. Wenn Einigungen und Vereinbarungen nicht angenommen werden, müssen berechtigte Zweifel am weiteren Vorgehen bestehen.

Mittlerweile betrachte ich vereinsinterne rechtliche Maßnahmen weitgehend als untauglich. Was die Loge nicht lösen kann, mag auch ein Gericht nicht immer schaffen. Hier müssen wir die Möglichkeit der Trennung in Betracht ziehen und einfache Lösungen anstreben. Brüder Freimaurer vertrauen darauf, dass Kandidaten ein feierliches Gelöbnis vor zahlreichen Zeugen ablegen. Wenn diese Erwartungen grob und fortgesetzt enttäuscht werden, ist keine Einigung zu erwarten. In solchen Fällen ist der Betreffende kein Bruder der Loge und kein Freimaurer. Schlichtungsversuche und Anhörung des Mitglieds sind selbstverständlich notwendig, aber letztlich sollte eine qualifizierte Mehrheit in der Logensatzung den Ausschluss ermöglichen, wie es in jedem anderen Verein üblich ist.

Die Freimaurerei muss stark sein und auch zu drastischen Maßnahmen greifen können, wenn nötig. Wer bewusst und wiederholt gegen sein Gelöbnis verstößt, hat keinen Platz in der Loge. Dies wird bereits in den „Alten Pflichten“ deutlich gemacht und kann auch in den „Allgemeinen Anordnungen“ unter Punkt IX nachgelesen werden. Es muss die Möglichkeit des Ausschlusses auf unterster Ebene geben, um die Souveränität der Loge zu wahren und die Gemeinschaft vor Schaden zu schützen. Manche Loge hat bereits mehr Mitglieder durch Querulanten verloren und es müssen klare Maßnahmen getroffen werden, um die Integrität und den Frieden innerhalb der Loge zu bewahren.

Sollte sich aber ein Bruder so weit vergessen, dass er Unruhe in seine Loge bringt, so ist er zweimal gebührend vom Meister oder den Aufsehern in geöffneter Loge zur Ordnung zu rufen. Beharrt er auf seinem Starrsinn, zeigt sich dem Rat seiner Brüder unzugänglich und weigert sich abzustellen, was Ärgernis hervorrief, so ist mit ihm nach dem Hausgesetz der Loge zu verfahren oder so, wie es die Vierteljahresversammlung in ihrer großen Weisheit als angemessen erachtet.

Weitere aufkommende Konfliktpunkte in Braunschweig.

Die umstrittene Rechtsreform wird nicht das einzige kontroverse Thema in Braunschweig sein. Neben Anträgen zum Besuchsrecht, die die altbekannte Frage der Regularität betreffen, werden voraussichtlich auch in diesem Jahr entsprechende Anträge abgelehnt. Es ist jedoch möglich, dass die Zustimmung zunimmt, einerseits aufgrund der immer schlechteren Akzeptanz der bisherigen Regularitätslösung. Die Freimaurerei muss Lösungen finden, um weiterhin eine gesellschaftliche Rolle zu spielen, und dies wird andererseits auch Auswirkungen auf die Beziehungen zu Logen haben, die sich mit dem Regularitätsproblem im täglichen Logenalltag zu befassen haben.

Ein weiterer wichtiger Punkt wird die Haushaltssituation sein. Kritische Stimmen häufen sich auch hier, insbesondere in Bezug auf die Verwendung der Einsparungen aus der bereits erfolgten Reduzierung der Zeitschrift „Humanität“ und den zukünftigen Planungen, die anscheinend nur noch digital sein werden ab 2025. Trotz massiver Einsparungen sollen die Großlogenbeiträge erheblich erhöht werden, was für viele Logen angesichts bereits gestiegener Kosten ein wichtiges Anliegen ist und möglicherweise sogar existenzielle Fragen aufwirft.

Es bleibt abzuwarten, wie der Vorstand diese Entscheidungen erklären wird und ob die neuen Pläne auf Zustimmung stoßen werden. Die Zukunft der bisherigen Haushaltsführung und eine Entlastung stehen ebenfalls auf dem Spiel. Wie bereits erwähnt, wird Braunschweig ein spannendes Jahr voller unvorhersehbarer Entwicklungen sein.

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